Schnellzugriff: Digitalisat: Basel, UBH, DA III 2 Kapitelübersicht Transkription TEI-Download
Die editio princeps (GW5054) und editio tertia (GW5062) der 'Stultifera navis' liegen als Digitalisat und diplomatische (!) Transkription, die editio altera (GW5061) zusätzlich als behutsam normalisierter Lesetext (mit Registereinträgen, Auflösung der Marginalien) vor. Eine kritische Hybridausgabe der 'Stultifera navis' mit Übersetzung und Kommentar wird in dem DFG-Projekt Narragonia Latina an der Univ. Würzburg erarbeitet.


Hier finden Sie zur Erstausgabe der 'Stultifera navis' (GW 5054) eine tabellarische Übersicht, welche die einzelnen Kapitel mit der Synopse verlinkt und einen Überblick über die strukturellen Veränderungen gegenüber der deutschen Vorlage gibt.
Schon im Jahr 1494 bereitete Sebastian Brant eine lateinische Ausgabe seines ‚Narrenschiffs’ vor, die das alemannische Narrenbuch in den Kreisen der europäischen Gelehrten bekannt machen sollte (zum Folgenden vgl. Hamm 2023 (PDF). Aufgrund seiner Arbeitsbelastung übergab er diese Aufgabe dann aber seinem ehemaligen Schüler Jakob Locher (1471-1528), der sich längst als Poet bewiesen hatte und im Jahr 1497 von Kaiser Maximilian I. zum poeta laureatus gekrönt worden war (Kühlmann / Niehl 2013).

Locher brachte seine lateinische Adaptation des ‚Narrenschiffs‘ erstmals am 1. März 1497 in Basel bei Johann Bergmann von Olpe zum Druck. In seiner 'Stultifera navis' (wörtlich: "Das Narrentragende Schiff") übertrug er das alemannische Narrenbuch in Sprache und Versmaße der lateinischen Dichtkunst und passte es an die Verständniswelt der mit den antiken Klassikern vertrauten Gelehrten seiner Zeit an. Im Prolog ordnet Locher die 'Stultifera navis' der Lehrdichtung zu und bezeichnet sie als Satire - in Übereinstimmung mit dem Humanisten Trithemius, der bereits 1494 das deutsche 'Narrenschiff' in seiner Literaturgeschichte als divina satyra bezeichnet hatte (Henkel 2019).
An der Druckvorbereitung und Publikation der 'Stultifera navis' war Sebastian Brant beteiligt. Dem Titelblatt zufolge unterzog er die Erstausgabe (und später auch die Zweitausgabe) einer gründlichen Revision (per Sebastianum Brant : denuo seduloque reuisa). Im Kolophon heißt es, er habe die 'Stultifera navis' "mit sehr passgenauen Konkordanzstellen und Ergänzungen" (aptissimisque concordantiis et suppletionibus) ausgestattet. Brants Beteiligung reichte von der mehrmaligen Durchsicht des Textes über die Hinzufügung von Marginalnotaten bis hin zu eigenen poetischen Beiträgen im Paratext (Hamm 2021).

Hervorzuheben sind Brants Verweise auf loca concordantia, die am Textrand jedes Narrenkapitels abgedruckt sind: Es handelt sich um ca. 1400 Fund- und Parallelstellen in der Bibel, in den antiken Klassikern und in kirchenrechtlichen Grundlagenwerken, die Lochers Text in einer altehrwürdigen Tradition der Moraldidaxe verorten. Diese gelehrte Kommentierung macht aus dem lateinischen Narrenbuch geradezu ein kanonisches Werk, und sie ist sehr aufschlussreich: Denn Brant gibt damit Hinweise, welche "Quellen" dem lateinischen (und implizit auch dem deutschen!) Narrenbuch zugrunde liegen, und deutet die Verständnis- und Deutungshorizonte eines zeitgenössischen Lesers an (Henkel 2019 u.ö.; Rupp 2001). Die 'Stultifera navis' entstand insofern in einer "Werkgemeinschaft", der (neben Verleger, Drucker, Lektoren und Bildkünstler) der Übersetzer und der Autor des 'Narrenschiffs' angehörten (Hamm 2021).
Die Erstausgabe besitzt einige charakteristische Merkmale (vgl. Hartl 2001, Bd. 1,1, S. 35-44; Hamm 2023 , PDF):

  • Die 'Stultifera navis' ist eine freie Bearbeitung des deutschen 'Narrenschiffs', die auf dessen zweiter Basler Ausgabe (3.3.1495, GW5046) beruht: Locher übernimmt deren Modifikation gegenüber der Erstausgabe, insb. auch ihre sechs neuen Holzschnitte (Kap. 9, 67, 69, 73, 95, 113, siehe Kapitelübersicht).

  • Das lateinische 'Narrenschiff' ist von Paratexten gerahmt, in denen Jakob Locher und auch Sebastian Brant über das Werk, seine Gattung, seine Drucklegung und seine Bedeutung Auskunft geben und die Lektüre ihrer Lesers unterstützen und in bestimmte Bahnen lenken. Diese Dichtungen (nur Lochers Prolog ist in lateinischer Prosa gefasst) gehen weit über das deutsche 'Narrenschiff' hinaus, das lediglich eine 'Vorrede' des Dichters kannte: Sie sind gleichsam die gelehrten Begleitschiffe für die 'Stultifera navis', die somit auch in ihrer paratextuellen Ausstattung an die Konventionen der humanistischen Literatur ihrer Zeit anknüpft. Unter diesen Paratexten finden sich eigenständige Texte von poetischem Rang: Hervorgehoben seien etwa Lochers 'Concertatio Virtutis cum Voluptate' (fol. 130v-134v) oder Brants umfängliches Carmen 'De singularitate quorundam nouorum fatuorum additio Sebastiani Brant' (fol. 140r-142v).

  • Locher hat Kapitelbestand und -reihung seiner deutschen Vorlage punktuell modifiziert: Die Kap. 36, 74 und 75 des deutschen 'Narrenschiffs' fehlen in Lochers Erstausgabe. Kap. 113 'In commendationem philosophię' kommt neu hinzu, die Kap. 46, 48, 108 und 111 werden umgestellt. Die Details sind aus dem Kapitelverzeichnis von GW5054 ersichtlich.

  • Die lateinische Erstausgabe ist in Antiqua gesetzt und wurde bei Bergmann von Olpe mit den originalen Holzschnitten des 'Narrenschiffs' gedruckt. Neu geschnitten wurden die Holzschnitte zu Kap. 83 und Kap. 110b; das Bild zu Kapitel 36, das Locher nicht berücksichtigte, ist Brants 'De singularitate' (fol. 140r) zugeordnet.

  • Das Grundlayout des 'Narrenschiffs' - das Kapitel steht auf Rückseite des einen und Vorderseite des folgenden Blattes, so dass man es im aufgeschlagenen Buch vollständig überblickt - wird von Locher nicht übernommen: Bedingt durch die unterschiedliche Länge seiner Texte erscheinen die Holzschnitte mal auf der Vorder-, mal auf der Rückseite eines Blatts. Auch die floralen Bordüren des deutschen 'Narrenschiffs', in denen sich Narrenfiguren tummeln, sind in der 'Stultifera navis' nur noch als Schwundstufe vorhanden: Es bleibt je Seite nur noch eine Kurzbordüre, die neben dem Holzschnitt angebracht ist, und neben diese treten ein- bis zweizeilige Kurztitel, später längere Textblöcke mit Ziten der loca concordantia .

  • Stichproben deuten darauf hin, dass die editio princeps der 'Stultifera navis' (GW 5054) nahezu keine Exemplarvarianz aufweist. Dass jedoch auch hier Setzerfehler während des Druckprozesses korrigiert wurden, belegt der Titel von Lochers Distichen an Johann Bergmann von Olpe (fol. 144r): Ein Teil der u.g. Exemplare, die als Digitalisat eingesehen werden konnten, schreibt den Titel fehlerhaft Ad enndem Iohannem .B.de Olpe (Exempare Basel, Madrid, Münster und Zagreb), der andere Teil hat den Setzerfehler zu eundem berichtigt (Exemplare Berlin, Montpellier und München). Auch in der lateinischen Ausgabe ist also Exemplarvarianz auf einer Lage nachweislich.
Der digitalen Präsentation der Erstausgabe von Jakob Lochers ‚Stultifera navis‘ (GW 5054) liegt das Basler Exemplar zugrunde.

Signatur Basel, Universitätsbibliothek Hauptbibliothek, DA III 2
Katalog Katalogeintrag Swisscovery
Digitalisat e-Rara
XML-Datei XML-Datei im TEI-P5-Format (Narragonien digital)
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Dieses Exemplar ist bis auf die mechanischen Textverluste auf fol. XXVIII und XXIX vollständig. Es ist unrubriziert und unkoloriert. Der Band stammt aus dem Besitz des berühmten Basler Buchdruckers Johannes Amerbach (um 1440-25.12.1513), der ihn an seinen Sohn Bonifatius weitergab. Zur Provenienz vermerkt der Siwsscovery Eintrag:
Auf Innenseite des Hinterdeckels ältester hs. Eintrag: Mgri Joannis de Amorbach liber quem Bonifacio filiio suo accomodauit von der Hand Johann Amberbachs, darunter Kinderzeichnungen der Söhne und in Nachahmung des ersten Texts: Mgri Bonifacij de Amerbach liber quem Basilij Amerbach filio suo accomodavit, MDXLI. Pfister meint, dass dieser Eintrag nach Schriftprobenvergleich nicht aus dem Jahr 1541 stammen kann, es dürfte sich um einen fingierten Eintrag von der jugendlichen Hand eines der drei Söhne des Johannes Amerbach handeln. Auch ein reiner Verschrieb (L statt I) scheint möglich; auf hinterem leeren Schmutzbl. ein hs. Eintrag von der Hand des Bonifacius Amerbach: Sechceen hunderch sind helgen in dem naren schiff; Besitzervermerk Amerbach, auf Titelbl. getilgt, aber noch lesbar: Sum Basilius Sum, Anno MDXII von der Hand des älteren Basilius Amerbach? (auch fingiert?), ebenfalls auf Titelbl. Amerbachiorum von der Hand des Bonifacius Amerbach."
Der Buchdrucker Johannes Amerbach, der bei Koberger in Nürnberg sein Metier erlernt hatte, arbeitete auch mit Sebastian Brant zusammen, der als corrector unter anderem die große Petrarca-Ausgabe betreute, die 1496 in Amerbachs Offizin gedruckt wurde - zwei Jahre nach dem 'Narrenschiff' und ein Jahr vor der 'Stultifera navis'. Bonifatius Amerbach (1495-1562) wurde Professor an der juristischen Fakultät in Base, war ein enger Freund des Erasmus von Rotterdam und hatte maßgeblichen Anteil an der Wiedereröffnung der Universität nach der Reformation. Offenbar gab Bonifatius den Narrenband später an seinen Sohne Basilius (1533-1591) weiter. Die Amerbachsche Familientradition der Narrenlektüre schlug sich neben den zitierten Einträgen auch in kindlichen Kritzeleien wieder, die man den Söhnen zuzuschreiben geneigt ist: etwa in dem zusätzlichen Vogel im Holzschnitt fol. LXXV oder in der Storchenfamilie, die den hinteren Innendeckel ziert.
Die nachfolgenden Angaben fußen auf den Inkunabelverzeichnissen (GW, ISTC usw.) und Bibliothekskatalogen. Da von der Erstausgabe GW 5054 über hundert Exemplare in ganz Europa und in den USA erhalten sind, beschränkt sich die folgende Übersicht auf Exemplare, die als öffentliches Digitalisat verfügbar sind.

Basel, Universitätsbibliothek Hauptbibliothek, Aleph A VI 11:3
Nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar. Es fehlen 8 Blätter (Lage s4 und x4). Es handelt sich um eine Mischfassung aus der Erstausgabe (GW 5054) und der Drittausgabe (GW 5062) der 'Stultifera navis': Die Lage a stammt aus GW 5054, die restlichen Lagen (bis auf die verlorenen Lagen s4 und x4) aus GW 5062. Solche Mischausgaben sind in der Überlieferung des lateinischen 'Narrenschiffs' nicht selten (vgl. unten XXX) und finden sich auch zum deutschen 'Narrenschiff' (vgl. Göttinger Exemplar der Erstausgabe von GW 5041).
>> Katalogeintrag Swisscovery >> kein Digitalisat verfügbar

Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Inc. 604 (an Inc. 607)
Vollständiges, nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar ohne Benutzerspuren. Aus dem Besitz des Nürnberger Humanisten Christoph Scheurl, siehe Beschreibung unter GW 5041. In dem Band folgt auf die Erstausgabe der 'Stultifera navis' (GW 5054) die Erstausgabe des deutschen 'Narrenschiffs' (GW 5041).
>> Katalogeintrag Stabikat (SBPK Berlin) >> Digitalisat (SBPK Berlin)

Boston, Public Library (Rare Books Department), Q.404.74 b
Vollständiges, unrubriziertes und punktuell koloriertes Exemplars. Auf dem vorderen Innendeckel hs. eingetragen sind die lat. Distichen Germanos dicit stolida ebrietate teneri // Italus: Et sensus praecipitare meo. // Itale te dico puerum terebrare cloacas, // Naturae leges: et pia iura negans. // Quis tolerabilior quaeso dic Itale morbus: // Nos capit bacchus, te maledicte Venus. Es handelt sich um das Epigramm II, 27 des Conrad Celtis, das gemeinsam mit anderen italienkritischen Dichtungen einiger deutscher Humanisten im Jahr 1493 in Regensburg entstanden ist, vgl. Ingrid D. Rowland: Revenge of the Regensburg Humanists, 1493. In: Sixteenth Century Journal 25 (1994), S. 307-322, hier 321f. Im Exemplar Boston folgt das Distichon Nux Pontica. Nil mihi duricies prodest, si mollior essem / Parceret a tritu petra lapisque meo. Es handelt sich um das Epigramm 5, 20 des italienischen Humanisten Giovanni Antonio Campano (1429-1477), des Poeten und Biographen im Umkreis von Kardinal Bessarion und Papst Pius II. (ed. Johannes Burchardus Menckenius 1707, S. 146). Der Band stammt aus dem Kloster St. Mang in Füssen (Eintrag fol.1 "St. Magni Fueßen"). Der Band weist zu Beginn lateinische Randbemerkungen auf, die u.a. Namen und Ort erläutern.
>> Katalogeintrag Boston PL >> Digitalisat bei Archiv.org

Charlottesville, University of Virginia Library, Typ 1497 .B73
Vollständiges, nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar. Keine Benutzerspuren. Auf dem vorderen Innendeckel das Exlibris 1899 von Paul von Baldinger (1837-1904), Kammerherr und Hofmarschall der Herzogin Wera von Württemberg; danach im Besitz des Kieler Büchersammlers Otto Vollbehr (1869-1946); von diesem erworben durch Edward L. Stone (Virginia).
> > Katalogeintrag der Virgina University Library > > Digitalisat Virgina University Library

Freiburg, Universitätsbibliothek, Ink. E 4681
Nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar. Es fehlen die Bl. 1-7 und 59-64. Zu Beginn zwei hs. Randnotizen. Beschädigungen durch Wurmfraß.
> > Katalogeintrag der UB Freiburg > > Digitalisat der UB Freiburg

Madrid, Biblioteca Nacionale de Espana, INC/287
Vollständiges, nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar. Textverlust fol. 1; gelegtnliche Unterstreichungen. Provenienz: Francisco Núñez del Castillo 1625 (2r).
>> Katalogeintrag BNE Madrid >> Digitalisat der Biblioteca Digital Hispánica

Montpellier Mediterranee Metropole, C197
Vollständiges, nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar; mechanischer Textverlust fol. CIIII; Provenienz: Sammlung des Medizinprofessors Calixte Cavalier (1820-1888) aus Montepellier (1888).
Katalogeintrag >> Digitalisat

München, Bayerische Staatsbibliothek, 4 Inc.c.a. 1369 z
Unvollständiges, nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar. Es fehlen die Blätter 1-24 und 82. Hs. Benutzeranmerkungen in marg.. Bisweilen deutsche Namen für die Narrentypen in den Holzschnitten (z.B. geltnarr fol. 28r); die nackte Venus auf fol. 131v ist geschwärzt; Besitzereintrag der Societas Jesu, Dillingen, auf dem vorderen Innendeckel und fol. 25r; 1915 von Dillingen in die SB München überführt.
>> Katalogeintrag der BSB MÜnchen >> Digitalisat der BSB München

Münster, Universität- und Landesbibliothek, 4 Inc.c.a. 1369 z
Nicht rubriziert, unkoloriert, keine Benutzerspuren. Es handelt sich um ein Mischexemplar, das aus Lagen der ersten und dritten Ausgabe der 'Stultifera navis' zusammengesetzt ist: Lage a und b (fol. 1r-fol. XVIv) = GW 5061; Lage c und d (fol. XVIIr-XXXIIv) = GW 5054; Lage e bis h (fol. XXXIIIr-LXIIIIv) = GW 5061; Lage i bis t (fol., LXVr-CXXXXV und Register) = GW 5054. Das Exemplar wurde, ohne als Komposit erkannt worden zu sein, der Ausgabe der 'Stultifera navis' von N. Hartl (2001) zugrunde gelegt, vgl. Hamm 2021. Provenienz: Institutum Erasmianum
>> Katalogeintrag der ULB Münster >> Digitalisat der ULB Münster

Zagreb, Nationalbibkliothek, RI-8°-23
Unvollständiges, nicht rubriziertes und unkoloriertes Exemplar. Besitzereinträge auf vorderem Innendeckel und Vorsatzblatt.
Katalogeintrag >> Digitalisat